Trotz Niedrigzinsphase und Immobilienboom stagniert die Wohneigentumsquote in Deutschland seit 2010 bei 45 Prozent, dem EU-weit niedrigsten Wert. Das geht aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) hervor, für das jährlich mehrere tausend repräsentativ ausgewählte Haushalte befragt werden und das zuletzt für das Jahr 2016 veröffentlicht wurde. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln hat im Januar 2018 anhand dieser Daten ein Gutachten zur Wohneigentumssituation in Deutschland erstellt (Quelle: newsroom.schwaebisch-hall.de). Die Haupterkenntnis ist, dass die Wohneigentumsquote bei jüngeren wie bei einkommensschwächeren Haushalten stagniert beziehungsweise sogar rückläufig ist und die Politik sich dieser besorgniserregenden Entwicklung dringend annehmen muss. Denn der Altersvorsorgebedarf jüngerer Haushalte wächst und, wie auch das IW Köln hervorhebt, die Bildung von Wohneigentum ist für die individuelle Vermögensbildung essenziell. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass in Ländern mit höherer Wohneigentumsquote eine ausgeprägtere individuelle Vermögensbildung zu beobachten ist (Quelle: zia-deutschland.de S. 11). Einer Erhebung der Europäischen Zentralbank ist zu entnehmen, dass der Median der Nettovermögen pro Haushalt in der EU lediglich in Estland und Lettland noch niedriger ist als in Deutschland.
In dem IW-Gutachten wird betont, dass einer der Gründe für die stagnierende Eigentumsbildung in Deutschland zwar die wachsende Zuwanderung ist, da Haushalte mit Migrationshintergrund über eine geringere Wohneigentumsquote verfügen. Doch auch bei den Haushalten ohne Migrationshintergrund hat die Eigentumsbildung seit 2010 dem Gutachten zufolge merklich „an Schwung verloren“. Bemerkenswert ist insbesondere eine Betrachtung der Eigentumsentwicklung nach Einkommen sowie nach Alter differenziert. Bei den unteren 20 Prozent der Einkommensverteilung hat sich bei der Wohneigentumsquote bereits seit 1992 gar nichts getan, während die Quote in allen anderen Einkommensklassen in diesem Zeitraum gestiegen ist. Vor allem das vierte Quintil verzeichnete einen starken Zuwachs von 44,2 Prozent auf 57,2 Prozent. Die Verteilung nach Alter ist ebenfalls aufschlussreich. Dem IW-Gutachten zufolge ist die Wohneigentumsquote bei den 35- bis 44-Jährigen seit 2011 sogar zurückgegangen. Dabei ist dieser Lebensabschnitt hinsichtlich der Wohneigentumsbildung ausgesprochen wichtig, da einerseits die Familiengründung oder -erweiterung in der Regel in diesen Zeitraum fällt und andererseits die Zeit noch ausreichend ist, um bis zum Renteneintritt das Immobiliendarlehen zu tilgen. Die einzigen Altersklassen, die seit 2011 steigende Wohneigentumsquoten verzeichnen, sind die 55- bis 64-Jährigen sowie die über 65-Jährigen.
Insbesondere der hohe Kapitalbedarf hält jüngere Familien und einkommensschwache Haushalte von der Wohneigentumsbildung ab. Bei einem Kaufpreis von 250.000 Euro errechnet das IW-Gutachten inklusive Kaufnebenkosten im Schnitt einen Eigenkapitalbedarf von 50.000 Euro – über so viel Geld verfügen allerdings nur elf Prozent der Mieter. Das IW-Köln schlägt deshalb mehrere politische Maßnahmen zur Einkommensförderung vor. Die Maßnahmen haben gemeinsam, dass sich der finanzielle Aufwand des Staates in Grenzen hält und dass sie in anderen Ländern bereits erfolgreich angewendet werden.Die wichtigste Maßnahme ist wohl eine Reform der Grunderwerbsteuer. Vorgeschlagen wird ein Stufentarif mit Freibetrag, wie er etwa in Großbritannien üblich ist. Dadurch würden Haushalte mit kleinerem und mittlerem Einkommen entlastet. Ein weiterer Vorschlag ist, die Grunderwerbsteuer nicht in voller Höhe zum Kaufzeitpunkt zu verlangen, sondern es zu ermöglichen, die Zahlung auf einen längeren Zeitraum zu strecken.Das IW Köln fordert zudem die Ausweitung des Bestellerprinzips auf Immobilienkäufe nach dem Beispiel der Niederlande, um Wohnungskäufern die Maklerkosten zu ersparen. Ebenfalls in den Niederlanden sowie in Frankreich können Haushalte Kreditausfallgarantien des Staates in Anspruch nehmen, um mehr Fremdkapital aufnehmen zu können. Darüber hinaus fordert das IW Köln eine Anpassung der Arbeitnehmersparzulage und der Wohnungsbauprämie sowie die in der Schweiz bereits bestehende Möglichkeit, durch die betriebliche Altersvorsorge angespartes Kapital für den Eigentumserwerb zu verwenden.