Wohnraum sollte den Bedürfnissen möglichst vieler Menschen gerecht werden. Je mehr barrierefreie Wohnungen auf dem Markt sind, desto besser. Barrierefreie Wohnungen erfüllen nicht nur die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Auch viele Seniorinnen und Senioren sind auf barrierefrei gestaltete Wohnungen angewiesen und auch für Familien mit Kindern bieten sie viele Vorteile. Doch nicht jede Immobilie, die als barrierefrei bezeichnet wird, ist auch barrierefrei. In diesem Blogbeitrag geben wir einige Anhaltspunkte, um zu beurteilen, ob eine Immobilie barrierefrei ist.
Zunächst wollen wir kurz die rechtliche Grundlage klären – denn rechtlich gesehen muss in Deutschland barrierefreier Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Nach der UN-Behindertenrechtskonvention, die seit 2009 in Deutschland gilt, ist selbstbestimmtes Wohnen ein Menschenrecht: In Artikel 28 Absatz 1 der UN-Behindertenrechtskonvention wird das Recht von Menschen mit Behinderungen auf einen angemessenen Lebensstandard mit ihrer Familie in Bezug auf Nahrung, Kleidung und Wohnung anerkannt. Es werden Schritte zur stetigen Verbesserung der Lebensbedingungen und zur Förderung der Verwirklichung dieses Rechts gefordert. Doch was zeichnet barrierefreien Wohnraum aus?
Barrierefreiheit wird fälschlicherweise immer noch häufig mit dem Fehlen von Treppen gleichgesetzt – verbunden mit der Möglichkeit, beispielsweise einen Aufzug zu nutzen, gleichgesetzt. Ganz so einfach ist es aber nicht – um Wohngebäude barrierefrei zu gestalten, müssen weitaus mehr Kriterien erfüllt werden. Die DIN 18040 ist die Grundnorm für barrierefreies Bauen und Planen in Deutschland. Das Normenwerk besteht aus drei Teilen und hat zum Ziel, bauliche Anlagen barrierefrei zu gestalten, sodass sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind (gemäß § 4 BGG Behindertengleichstellungsgesetz). Dabei werden insbesondere die Bedürfnisse von seh- und hörbehinderten Menschen, von Menschen mit motorischen Einschränkungen, von Nutzern von Mobilitätshilfen und Rollstühlen, von kleinen und großen Menschen, von Menschen mit kognitiven Einschränkungen, von älteren Menschen, von Kindern und von Menschen mit Kinderwagen und Gepäck berücksichtigt.
Im ersten Teil der Norm werden Standards für den Bau von öffentlichen Gebäuden festgelegt, im zweiten Teil geht es darum, wie Wohnungen barrierefrei gestaltet werden sollen und der dritte Teil enthält Vorgaben für die barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Verkehrs und des Freiraums. In diesem Beitrag werden die Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung von Wohnungen näher betrachtet.
Eine barrierefreie Wohnung macht wenig Sinn, wenn sie nicht barrierefrei erreichbar ist. Aus diesem Grund sollte die Zuwegung und der Eingang zum Gebäude barrierefrei gestaltet werden. Wo die Geländehöhe den Anschluss an den Straßenraum mit zulässigem Gefälle
nicht zulässt, sind rollstuhlgerechte Rampen vorzusehen. Neben der barrierefreien Zugänglichkeit sind zusätzliche Anforderungen an Oberflächen und Farbgebung (diese sollten optisch kontrastieren) zu beachten, um das Gebäude möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Idealerweise befinden sich rollstuhlgerechte und entsprechend gekennzeichnete Stellplätze auf dem Grundstück.
Um ein mehrgeschossiges Gebäude von innen barrierefrei zu erschließen, sollte idealerweise ein Aufzug vorhanden sein. Dies ist bei fünfgeschossigen Neubauten ohnehin vorgeschrieben, sollte aber nach Möglichkeit auch bei Neubauten mit weniger als fünf Geschossen vorgesehen werden. Ein Bereich, der im Zusammenhang mit Barrierefreiheit oft vergessen wird, ist der Übergang von der Eingangstür in die Wohnung. Die Hauseingangstür sollte möglichst schwellenlos oder mit einer maximalen Schwelle von zwei Zentimetern ausgeführt werden. Die Tür sollte sich farblich von der übrigen Fassade abheben. Automatische Türöffner erleichtern den Zugang zum Haus erheblich - sie erhöhen den Komfort für alle Bewohnerinnen und Bewohner. Sie erhöhen den Komfort für alle Bewohner und sind eine wichtige Hilfe für Menschen mit motorischen Einschränkungen. Auch alle Räume, die sich im Untergeschoss eines Wohnhauses befinden - sowohl gemeinschaftlich als auch privat genutzte - sollten möglichst barrierearm und durch elektrische Türöffner und -schließer leicht zugänglich sein. Auch der Zugang zu vorhandenen Balkonen sollte entsprechend barrierefrei sein und diese sollten eine Mindestgröße nach Norm aufweisen, um auch für Rollstuhlfahrer zugänglich zu sein.
Es ist gut, wenn es in Wohngebäuden Aufzüge gibt. Diese können aber nur dann als barrierefrei gelten, wenn vor der Anlage ein ausreichend großer Bewegungsraum (nach DIN 1,5 x 1,5 Meter) vorhanden ist und die Kabine mindestens 1,40 x 1,10 Meter groß ist.
Innerhalb des Aufzuges sollte sich ein niedrig angebrachtes Bedientableau mit extra großen Bedienelementen befinden, damit der Aufzug von möglichst vielen Personen bedient werden kann. Auch Treppen können barrierefrei gestaltet werden: Sie sollten auf beiden Seiten einen Handlauf haben, der in einer Höhe von 85 bis 90 Zentimetern angebracht ist. Um sehbehinderten Nutzern den Zugang zu erleichtern, sollten Handläufe idealerweise mit taktilen Informationen ausgestattet sein.
So können z.B. die Stockwerke relativ einfach und kostengünstig durch Applikationen und Einkerbungen im Handlauf gekennzeichnet werden. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Stufenkanten durch farbliche Kontraste hervorzuheben - dies kann z.B. durch Einfräsungen mit farbigen Einlegern erfolgen. Kleinere Hauszugänge, die nur über eine Treppe erreichbar sind, sollten durch eine Rampe ergänzt werden.
Für Rollstühle und andere Mobilitätshilfen, aber auch für Kinderwagen werden in einem Wohnhaus geeignete Abstellmöglichkeiten benötigt. Doch auch über dieses Thema machen sich leider oft nur die Menschen Gedanken, die auf diese Gegenstände angewiesen sind. Wurden entsprechende Abstellmöglichkeiten bei der Planung eines Wohngebäudes nicht berücksichtigt, bedeutet dies für die Betroffenen große Unannehmlichkeiten: Gerade in älteren Häusern sind Mieterinnen und Mieter aus Brandschutzgründen häufig gezwungen, Rollstühle und andere Mobilitätshilfen im eigenen Hausflur abzustellen, und Eltern müssen Kinderwagen oft umständlich in den Keller schleppen. In einem gut durchdachten Wohngebäude sollte es für diese Gegenstände einen leicht zugänglichen, günstig gelegenen, trockenen, sauberen und sicheren Aufbewahrungsort geben.
Um Barrierefreiheit zu gewährleisten, gibt es Mindestmaße, die Räume haben sollten - so sollten Flure mindestens 1,20 Meter breit sein. Soll eine Wohnung mit dem Rollstuhl befahren werden können, muss im Flur zusätzlich eine Bewegungsfläche von 1,50 x 1,50 Meter vorhanden sein, auch vor den Türen muss dieser Radius eingehalten werden.
Innentüren gelten als barrierefrei, wenn sie keine unteren Türanschläge oder Schwellen haben und eine lichte Durchgangsbreite von 0,80 Meter sowie eine Höhe von 2,05 Meter aufweisen. Fenster sollten insbesondere in Wohnräumen auch im Sitzen den Blick nach draußen ermöglichen (erreichbar durch eine Brüstungshöhe von 60 Zentimetern) und leicht zu bedienen sein. Bodentiefe Fenster erfüllen diese Anforderungen und haben den Vorteil, dass viel Licht in die Wohnräume fällt.
Wenn es um die Gestaltung von Bädern geht, sollte das Thema Barrierefreiheit hohe Priorität haben. Während es für viele jüngere Menschen lange kein Problem darstellt, in eine Duschkabine zu klettern, kann dies für ältere Bewohnerinnen und Bewohner zu einer Verletzungsgefahr oder irgendwann zu einem unüberwindbaren Hindernis werden, so dass eine Nutzung bei Bewegungseinschränkungen kaum noch vorstellbar ist. In zeitgemäß gebauten oder sanierten Wohnungen sollten stufenlos begehbare Duschkabinen heute selbstverständlich sein, Stütz- und Haltegriffe sollten bei Bedarf angebracht werden können und Türen sollten nicht in den Sanitärraum hineinschlagen.
Vor Waschbecken und Toiletten sowie im Duschbereich sollte ausreichend Bewegungsraum vorhanden sein - die DIN sieht hier etwa 1,20 x 1,20 Metervor. Waschplätze sollten auch im Sitzen nutzbar sein, der Duschbereich sollte rutschfest und maximal zwei Zentimeter abgesenkt sein. Soll ein Bad mit dem Rollstuhl befahrbar sein, gibt es umfangreiche Vorgaben - so müssen WCs eine bestimmte Höhe haben, die Toilettenspülung muss im Sitzen erreichbar sein und ein Duschklappsitz muss vorhanden sein. Wenn also eine Wohnung als barrierefrei und rollstuhlgerecht bezeichnet wird, kann anhand der Vorschriften genau überprüft werden, ob sie den formalen Anforderungen entspricht oder nicht.
Bei der Investition in eine Immobilie lohnt es sich, darauf zu achten, ob das Objekt barrierefrei gestaltet ist - und wenn nicht, ob es entsprechend nachgerüstet werden kann. Nicht nur im Hinblick auf den demografischen Wandel, sondern auch aus sozialer Verantwortung gegenüber allen Menschen, die darauf angewiesen sind, ist es sinnvoll, sich für eine barrierefreie Gestaltung von Wohnräumen einzusetzen. Viele Maßnahmen - insbesondere für hör- und sehbehinderte Menschen - können mit geringem Aufwand umgesetzt werden. Wird eine Wohnung oder ein Haus renoviert, ist es sinnvoll, gleich barrierefrei umzubauen, um sich einen späteren kostenintensiven Umbau zu ersparen.
Bei Neubauten gibt es keine plausiblen Gründe, auf eine barrierefreie Gestaltung zu verzichten. So kommt die Studie „Barrierefreies Bauen im Kostenvergleich“ der Terragon Wohnungsbau zu dem Ergebnis, dass barrierefreies Bauen eine Frage der Planung und nur zu einem sehr geringen Teil eine Frage der Kosten ist. Denn - so die Autoren der Studie - nur wenige der in der DIN 18040 geforderten Kriterien für barrierefreies Bauen sind mit Mehrkosten verbunden.