Drei Buchstaben sind in der Immobilienbranche längst weithin bekannt: ESG. Diese Abkürzung steht für Environmental, Social und Governance. Etwas frei ins Deutsche übersetzt, geht es um Umwelt- und soziale Aspekte sowie um Fragen einer verantwortungsvollen Unternehmensführung. Oder, anders formuliert, um ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Schon lange steht vor allem das „E“ in ESG im Vordergrund zahlreicher Diskussionen, Entscheidungen und Fragen rund um das Entwickeln neuer Immobilienprojekte, die Sanierung des Bestands sowie Anlagekriterien. Die Aspekte „S“ und „G“ sind ebenfalls wichtig, geraten jedoch gerne einmal ins Hintertreffen. Wir stellen alle diese einzelnen Punkte in diesem Blogbeitrag näher vor und gehen auf ihre Relevanz für die Immobilienbranche und speziell auch für Wohnungseigentümer ein.
Möglichst schonend mit der Erde umzugehen – daran denken wohl die meisten Leute, wenn sie den Begriff „Nachhaltigkeit“ hören. Und selbstverständlich sind ökologische Aspekte wichtig: Seit einigen Jahren ist der Klimawandel schließlich auch in Deutschland und dem Rest Europas immer deutlicher zu spüren – man denke nur an die Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal oder an die Dürren in Südeuropa im Sommer 2022.
Doch ökologische Aspekte sind längst auch mit ökonomischen verknüpft. Wer möglichst effizient mit vorhandenen Ressourcen umgeht, spart dabei nicht nur Emissionen, sondern auch bares Geld. Unternehmen, die sich zukunftsfähig aufstellen wollen, kommen also an einem nachhaltigeren Wirtschaften nicht mehr vorbei. Private Wohneigentümer können mit größeren Investitionen im Hier und Jetzt – etwa durch die Anschaffung einer Photovoltaikanlage zur Erzeugung grünen Stroms – langfristig Geld sparen.
Zum „E“ wie Environmental in ESG gehören Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz, die Verwendung von erneuerbaren Energien, das Verringern von Emissionen und ein bewusster Umgang mit den begrenzten Ressourcen des Planeten. Wenn ein Unternehmen in Sachen Umweltfreundlichkeit punkten will, muss es beispielsweise Maßnahmen ergreifen, um den Klimawandel abzumildern, einen möglichst geringen CO2-Fußabdruck vorweisen, auf Wind- und Solarenergie setzen, natürliche Ressourcen entlang der Wertschöpfungskette schützen oder in der Logistik auf möglichst kurze Lieferwege setzen.
Die Reduzierung von Emissionen ist sicherlich mit einer der wichtigsten Aspekte, wenn es um Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit geht. Das gilt für Unternehmen ebenso wie für private Wohneigentümer. Diesen Schritt hin zu einem reduzierten CO2-Ausstoß bezeichnet man auch als Dekarbonisierung des Gebäudesektors. Unternehmen sichern sich mit der Bemühung zur Emissionsreduktion eine solidere Investorenbasis und können ihr Image aufpolieren. Private Eigentümer können, indem sie ihre Immobilie möglichst früh schon klimaneutral aufstellen, langfristig Geld sparen, etwa durch selbst erzeugten Strom mittels einer Solaranlage oder durch eine reduzierte Heizkostenrechnung dank Einbau einer modernen Wärmepumpe. Für beide Gruppen gilt, dass sie künftig Bußgelder vermeiden, die die EU für in puncto Energieeffizienz besonders schlechte Gebäude inzwischen bereits in Planung hat.
Zu den entscheidenden Auswirkungen auf private ebenso wie gewerbliche Immobilieneigentümer gehört, dass der Wert einer Immobilie in Zukunft maßgeblich auch davon beeinflusst wird, inwiefern diese modernen ESG-Ansprüchen gerecht wird. Dazu zählen etwa eine gute Energieeffizienz und Dämmung, emissionsfreie Energiegewinnung dank Solaranlage und umweltfreundliche Wärmegewinnung mittels einer Wärmepumpe.
Um eine solche ESG-Konformität nachzuweisen, gibt es sogenannte Nachhaltigkeitszertifikate. Die gängigsten Zertifikate auf dem deutschen Immobilienmarkt sind das US-amerikanische LEED (Leadership in Energy and Environmental Design), das britische BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) und das deutsche DGNB-Siegel (Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen).
Um ein solches Siegel zu erhalten, muss eine Immobilie Punkte in verschiedenen Kategorien erfüllen. Je nachdem, wie „grün“ ein Gebäude ist, erhält es ein Zertifikat in unterschiedlichen Bewertungsstufen, üblicherweise ähnlich unterteilt wie olympische Medaillen: Bronze, Silber und Gold. Hinzu kommt Platin, für die ein Gebäude jedoch höchsten Ansprüchen genügen muss.
Solche „Green Buildings“ werden sich voraussichtlich auf dem Markt immer mehr durchsetzen. Institutionelle Investoren etwa legen ihr Kapital schon jetzt fast ausschließlich in sogenannte Artikel-8- oder Artikel-9-Fonds an. Das sind Fonds, die bei ihren Anlagekriterien ESG-Aspekte besonders in den Fokus rücken. Auch erzielen nachhaltig zertifizierte Gebäude heute schon in der Regel höhere Verkaufspreise, lassen sich besser vermarkten und sind nicht zuletzt auch gut für das Image eines Unternehmens. Private Eigentümer müssen das vor allem dann im Hinterkopf behalten, wenn sie ihre Immobilie in Zukunft verkaufen und möglicherweise umziehen wollen oder aber wenn sie im Besitz mehrerer Immobilien als Kapitalanlage sind. Gebäude mit schlechter Energiebilanz werden in Zukunft stark an Wert verlieren und sich früher oder später möglicherweise gar nicht mehr verkaufen lassen.
ESG-Konformität ist für Immobilienunternehmen und Eigentümer heute nicht mehr Kür, sondern Pflicht. Dafür sorgen neben den Anforderungen des Markts und den Ansprüchen von Immobilienkäufern die immer strengeren Regulierungen seitens des Bundes und der EU. Diese schreiben schon seit Längerem bestimmte Emissionsziele vor, deren Einhaltung etwa mittels Emissionszertifikaten kontrolliert wird. Zum 1. Januar 2023 sind einige neue Gesetze in Kraft getreten, die Immobilieneigentümern weitere Pflichten auferlegen.
Eines der wichtigsten ist sicherlich das überarbeitete Gebäudeenergiegesetz (GEG). Dieses schreibt für Neubauten und Altbauten nach einer Sanierung nun den strengen energetischen Standard EH-55 vor. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Ein Haus darf, um diesem Standard zu entsprechen, nur 55 Prozent des Primärenergiebedarfs eines Referenzhauses aufweisen. Diese neue Regelung betrifft Wohngebäude ebenso wie gewerbliche Immobilien. Auch auf EU-Ebene werden die Regulierungen immer weiter verschärft. So gilt etwa seit 2021 das „Fast-Nullenergiehaus“ als Standard für Neubauten. Nichtwohngebäude in öffentlicher Hand müssen diese Anforderungen schon seit 2019 einhalten. Ziel des neuen GEG ist es auch, EU-Richtlinien in nationales Recht zu verwandeln.
Überall dort, wo der Staat strengere Anforderungen stellt, stellt er in der Regel auch Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung. In Deutschland geschieht das etwa über die Förderbank KfW. Eine der neuesten Förderungen ist die Förderrichtlinie „Klimafreundliches Bauen“. Diese gilt seit dem 1. März 2023 und fördert Neubauten, bei denen besonders ambitionierte Nachhaltigkeitsziele eingehalten werden. Wer diese Anforderungen erfüllt, erhält das staatliche Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG). Damit soll die Emission von Treibhausgasen vom Bau bis zum Abriss reduziert werden. Ebenso sollen weniger Ressourcen, Flächen und Energie verbraucht sowie das Recycling von Baumaterialien erleichtert werden.
Um die Energiewende voranzutreiben, hat die Bundesregierungen inzwischen auch der Gasheizung den Kampf angesagt. Dafür wird der Einbau von Wärmepumpen gefördert und die Installation einer Photovoltaikanlage soll für private Wohneigentümer immer attraktiver werden. Seit Kurzem fällt bei der Anschaffung keine Mehrwertsteuer an, und wer nur eine kleinere Anlage betreiben will, ist sogar von der Einkommensteuer befreit.
Während die bereits erwähnten Grüne-Gebäude-Zertifikate oft nur betrachten, wie klimafreundlich ein Gebäude errichtet wird, ist für die tatsächliche Klimabilanz einer Immobilie auch die Nutzung von maßgeblicher Bedeutung. Will die Branche tatsächlich klimaneutral werden, muss auch zwischen Errichtung und Abriss auf die Emissionen geachtet und diese so niedrig wie möglich gehalten werden.
Um das zu erreichen, gibt es inzwischen sogenannte Green Leases. In einem solchen grünen Mietvertrag werden üblicherweise sowohl Mieter als auch Eigentümer zu einer möglichst nachhaltigen Nutzung des Gebäudes verpflichtet. Mieter können mit entsprechenden Klauseln etwa dazu animiert werden, möglichst wenig Energie und Wasser zu verbrauchen, möglichst wenig Müll zu produzieren und besser zu recyceln sowie das Gebäude oder die Wohnung insgesamt umweltbewusst zu nutzen.
Da jedes Gebäude unterschiedlich ist, muss auch jeder Vertrag ganz individuell aufgesetzt werden – den einen, für alle Immobilien und alle Situationen passenden grünen Mietvertrag gibt es nicht. Bei Neubauten kann die Option einer Green-Lease-Vereinbarung schon in der Planung berücksichtigt werden. So bietet sich auf lange Sicht der meiste Spielraum für energiesparende Maßnahmen. Green Leases bringen aber nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile mit sich. Denn wenn ein Gebäude wasser- und energiesparend genutzt wird, können Mieter ebenso wie Eigentümer Kosten sparen.